Facebook Ads und Fanpages: Was ändert sich nach Datenskandal und Urteil?
Die sozialen Medien erregen im Hinblick auf den Umgang mit persönlichen Daten immer wieder das Aufsehen ihrer Nutzer. Der aufsehenerregende Skandal um die Weitergabe von Nutzerdaten durch das soziale Netzwerk Facebook an das Unternehmen Cambridge Analytica ist zwar momentan von den Titelseiten verschwunden – das Thema bleibt jedoch in aller Munde. Und nun kommt – davon völlig unabhängig – auch noch ein folgenreiches Urteil des Europäischen Gerichtshofs über die Verantwortlichkeiten im Hinblick auf Facebook Fanpages hinzu. Aber was sind die Konsequenzen aus den Geschehnissen für die private und die gewerbliche Nutzung von Facebook als Online-Marketing-Instrument? Wird es in Zukunft überhaupt noch ohne Reputationsverlust möglich sein, diese Art der Werbung zu betreiben? Wird Facebook in der Reaktion auf den Skandal die Möglichkeiten für Targeting einschränken? Sinken die Nutzerzahlen? Werden Facebook Ads jetzt günstiger? Und was ändert sich für die Betreiber von Facebook Fanpages? Wir fassen die Folgen des Skandals für das Social Media-Marketing auf Facebook zusammen und ordnen die aktuellen Entwicklungen ein.
Inhaltsverzeichnis
Hintergrund: Der Facebook Datenskandal
Im Zusammenhang mit dem jüngsten “Facebook Skandal” wird dem Unternehmen vorgeworfen, die Daten von bis zu 87 Millionen Nutzern auf der Grundlage undurchsichtiger und in hohem Maße zweifelhafter Datenschutz-Einstellungen mit der Firma Cambridge Analytica geteilt zu haben. Der weitaus größte Teil der betroffenen Nutzer stammt mit über 80 % (die genauen, angegebenen Zahlen variieren) aus den USA. In diesem Zusammenhang wurde berichtet, dass die Daten der Nutzer unerlaubt im Zuge des US-amerikanischen Wahlkampfs für den heutigen Präsidenten Donald Trump eingesetzt wurden. Dabei soll gezielt Werbung im sozialen Netzwerk Facebook platziert worden sein, um die Anhänger Trumps zu mobilisieren und Hillary Clintons Kampagne zu bremsen.
Die Folgen des Skandals für Facebook und seine Werbekunden
Der Druck auf Facebook Gründer Mark Zuckerberg wurde im Verlauf der hitzig geführten öffentlichen Debatte, die sich nach Bekanntwerden des Falls Cambridge Analytica rasch entwickelte, immer größer. Er räumte ein, dass Möglichkeiten für den missbräuchlichen Gebrauch von Nutzerdaten auf Seiten von Facebook nicht im gebotenen Maß beachtet und ausgeräumt worden sind und entschuldigte sich dafür öffentlich im Rahmen seiner mit enormer medialer Aufmerksamkeit verfolgten, letztlich aber wenig aufschlussreichen Anhörungen vor dem US-Kongress und dem Europäischen Parlament. Cambridge Analytica hat mittlerweile Insolvenz angemeldet.
Während vorübergehend deutliche Verluste an der Börse zu verzeichnen waren, ist nach Angaben von Facebook bisher kein signifikanter Rückgang der Nutzungsraten des sozialen Netzwerkes zu verzeichnen. Demnach hat die Mehrzahl der Nutzer noch keine Veränderungen an den Privatsphäre-Einstellungen vorgenommen und auch die Werbeaktivitäten von Unternehmen über Facebook sind alles in allem stabil geblieben. Folglich besteht für Unternehmen grundsätzlich weiterhin – und zwar ohne zu erwartende Einbußen – die Möglichkeit, das weiterhin reichweitenstarke Medium Facebook in ihren Marketing-Mix zu integrieren und damit große potenzielle Zielgruppen zu erreichen. Und selbst wenn ein Teil der Unternehmen sich in den kommenden Wochen und Monaten noch dafür entscheiden sollte, mit seinen Werbeaktivitäten nicht länger auf Facebook präsent zu sein, würde dies für die übrigen Unternehmen eher Vorteile mit sich bringen. Immerhin dürften dann die Preise für Facebook Ads sinken, während sich die kostenlose, organische Reichweite der Unternehmens-Postings aufgrund der geringeren Konkurrenz erhöhen dürfte.
Ein Leben ohne Facebook ist sinnvoll – aber unmöglich?
Die bemerkenswerte Stabilität des Nutzerverhaltens trotz der breiten öffentlichen Empörung wird vor allem damit erklärt, dass Facebook – und Social Media Kanäle im Allgemeinen – längst einen festen, oftmals ganz zentralen Raum im Leben der Menschen einnehmen und somit zu einem integralen Bestandteil der privaten und beruflichen Kommunikation geworden sind. Aus diesem Grund scheinen die Nutzer auf diese Ihnen – oftmals kostenfrei – zur Verfügung gestellten Kommunikationsmöglichkeiten unter keinen Umständen mehr verzichten zu wollen. Auch der massenhafte Missbrauch personenbezogener Daten ändert daran offenbar nichts – ganz egal, wie groß die öffentliche Empörung darüber ausfällt. Und auf der anderen Seite wird immer wieder betont, dass der vollständige Verzicht auf die Nutzung von Facebook (und anderen sozialen Medien) den einzigen Weg darstellt, um die eigenen Daten effektiv zu schützen. Immerhin besteht das Geschäftsmodell sozialer Medien im Sammeln von Daten über sämtliche Aktivitäten ihrer Nutzer – wie beispielsweise beim Liken, Teilen oder Kommentieren von Beiträgen – Daten, die Rückschlüsse auf die jeweiligen Vorlieben, Gewohnheiten und andere Aspekte der Persönlichkeit zulassen.
Facebook macht weiter so – aber etwas mehr Datenschutz muss sein
Rein wirtschaftlich gesehen sieht es derzeit ganz danach aus, als käme Facebook ohne nennenswerte Einschnitte oder gar eine Krise aus dem Datenskandal heraus. Aber das soll nicht bedeuten, dass die Aufregung der letzten Wochen gar keine Konsequenzen nach sich zieht. Vielmehr hat Facebook im Zuge der Affäre um den Datenmissbrauch durch Cambridge Analytica umfangreiche Änderungen in Aussicht gestellt. Was dabei weniger laut kommuniziert wurde: Im Management des sozialen Netzwerks Facebook soll schon seit Längerem an einer Verbesserung der Privatsphäre-Einstellungen gearbeitet werden – also längst nicht erst seit Bekanntwerden des Datenmissbrauchs durch Cambridge Analytica.
Eigenen Angaben zufolge will Facebook bestehende Sicherheitsprobleme und -lücken ausräumen, was aber nur über einen längeren Zeitraum hinweg zu realisieren sei. Das erklärte Ziel der Maßnahmen besteht darin, den Nutzern des Social Media Kanals umfangreichere Möglichkeiten zur Kontrolle über die von Ihnen hinterlassenen und freigegebenen Daten zu gewähren. Aber was bedeutet das konkret – für Nutzer und für werbetreibende Unternehmen?
Die von Facebook geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Datensicherheit
Um eine höhere Datensicherheit seiner Nutzer gewährleisten zu können, hat Facebook eigenen Verlautbarungen zufolge unterschiedliche Maßnahmen geplant. Das Unternehmen gibt an, die Anzahl seiner Mitarbeiter in den Bereichen Datensicherheit und Content Review im Laufe des Jahres verdoppeln zu wollen, um dieses Programm umsetzen zu können. Zu den Maßnahmen zählen die folgenden Aspekte:
- Der Zugang zu privaten Gruppen, Veranstaltungen oder Seiten soll künftig stärker eingeschränkt werden.
Von Drittanbietern eingebundene Apps sollen in Zukunft genauer überprüft werden.- Außerdem ist es diesen in Zukunft nicht länger erlaubt, Zugang zu persönlichen Daten abzufragen, beispielsweise im Hinblick auf politische Überzeugungen oder Religionszugehörigkeiten der Nutzer.
- Ferner ist geplant, die Transparenz solcher Apps zu erhöhen. Hierfür soll im Facebook Newsfeed über einen Link eingeblendet werden, welche Inhalte, Informationen und Daten der Nutzer mit dem Anbieter der genutzten App teilt.
Einige der Aspekte dieses Maßnahmenpakets wurden bereits umgesetzt. So wurden ungefähr 200 Apps, mit deren Hilfe möglicherweise Daten zur missbräuchlichen Weiterverarbeitung gesammelt worden sind, bereits abgeschaltet. Diese Apps werden nun eingehend überprüft, um festzustellen, ob in diesen Fällen tatsächlich Nutzerdaten missbraucht worden sind.
- Darüber hinaus sollen Nutzer, die vom Datenskandal betroffen sind, innerhalb ihres Newsfeeds über jeden Missbrauch ihrer Daten informiert werden.
- Im Hinblick auf die bessere Kontrolle der Nutzer über Ihre Daten wurde auf der Facebook F8 Konferenz am 1. Mai 2018 ebenfalls das “Facebook Clear History” Feature vorgestellt. Damit sollen Nutzer dazu berechtigt werden, die Historie in ihrem Facebook Profil innerhalb des Aktivitätenprotokolls aufzurufen und bei Bedarf zu löschen. Ebenfalls soll die Möglichkeit entstehen, das Weiterleiten der Daten auf Facebook zu deaktivieren. Bis das Tool aktiviert wird, dürfte es jedoch noch einige Monate dauern. Für Unternehmen bedeutet dies jedoch, dass Nutzer, bei denen die Datenübertragung an Facebook deaktiviert ist, aus den entsprechenden Custom Audiences ausgeschlossen werden, was das zielgerichtete Aussenden von Facebook Ads erschweren könnte. Zudem soll es den Nutzern Facebooks zukünftig möglich sein, einzusehen, welche Daten Facebook beispielsweise von Websites über einen Facebook Pixel empfängt.
Damit ist es denkbar, dass die Nutzer Facebooks nun vermehrt auf den Datenschutz und die dazugehörigen Möglichkeiten und Einstellungsoptionen aufmerksam geworden sind und Ihre Daten künftig besser schützen. Beispielsweise könnten sie die Verwendung der Daten durch Unternehmen auf diese Weise erschweren, was ebenfalls das zielgerichtete Marketing betreffen würde. Personalisiert ausgesendete Werbung, personalisiertes Targeting, basiert nämlich auf den gesammelten Daten der Nutzer.
Facebooks Umgang mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)
Im Zuge seiner Bemühungen um besseren Datenschutz hat Facebook auch sein Bekenntnis zur Einhaltung der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO), die seit dem 25.05.2018 rechtsverbindlich gilt, unterstrichen. Allerdings sollte das selbstverständlich sein, da sich alle Unternehmen, die in der Europäischen Union aktiv sind, an dieses neue Datenschutzrecht halten müssen und für Verstöße mit Bußgeldern in Millionenhöhe bedroht werden. Im Falle von Facebook wären sogar Bußgelder in Milliardenhöhe einzuplanen, da die EU von umsatzstarken Konzernen bei Verstößen 4 % ihres weltweit erwirtschafteten Jahresumsatzes verlangen kann. Bei einem (eher konservativ geschätzten) Umsatz von 50 Milliarden müsste Facebook also bis zu zwei Milliarden als eine Art Ablasszahlung bereithalten, um auch weiterhin in der EU nach Lust und Laune Nutzerdaten zu unterschiedlichsten Zwecken weiterzuverarbeiten. Das ist sehr viel Geld, aber wenn die Alternative zu einem solchen Bußgeld in der weitgehenden Erosion des eigenen Geschäftsmodell liegt, ist so ein Betrag sicherlich kein zu hoher Preis.
Nutzer sollen ihre Daten selbst schützen
Aber Facebook behauptet, mehr für den Datenschutz tun zu wollen. In diesem Zusammenhang hat der Konzern seinen Nutzern erklärt, was es mit der DSGVO auf sich hat und wie Facebook selbst in dieser Angelegenheit vorgehen will. Allerdings wird sich an den globalen, “von oben” gesteuerten Einstellungen nicht viel ändern, denn einmal mehr weist Facebook auch in diesem Zusammenhang vor allem auf die Möglichkeiten zur Verwaltung der Datenschutzeinstellungen seitens der Nutzer hin.
Facebook geht auf Distanz zu Partnern
Im Zuge der Einführung der neuen Datenschutzgrundverordnung beendet Facebook innerhalb der EU früher als zunächst geplant die bestehende Zusammenarbeit mit extern organisierten Datenanbietern. Diese lieferten in der Vergangenheit Daten zur genauen Zielgruppenbestimmung von Facebook Ads – beispielsweise im Hinblick auf die Wohnverhältnisse, Haustiere oder Motorisierung der Nutzer. Folglich werden auf den sogenannten Partnerkategorien basierende Targeting-Optionen künftig nicht mehr im bisherigen Umfang möglich sein und im Herbst gänzlich verschwinden. An dieser Stelle muss jedoch betont werden, dass Facebook auch unabhängig von den Partnerkategorien über eine große Menge an Nutzerdaten verfügt, so dass hochauflösendes Targeting auch weiterhin möglich sein wird.
Der Facebook Pixel wird zum Problem
Darüber hinaus wird beispielsweise die Einbindung des Facebook Pixels auf der Website von werbetreibenden Unternehmen problematischer. Dieser Codeschnipsel wirkt sich wie viele der bereits beschriebenen Maßnahmen Facebooks ebenfalls auf die Targeting-Möglichkeiten für das Marketing innerhalb des sozialen Netzwerks aus. Der Facebook Pixel ist insbesondere ein Retargeting-Instrument, indem mit seiner Hilfe die Aktivitäten der Website-Besucher eines Unternehmens erfasst und die Daten für das Werben auf Facebook bereitgestellt werden. Konkret heißt das, dass ohne den Facebook-Pixel die Nutzer nicht länger in die Custom Audiences im Facebook Werbeanzeigenmanager aufgenommen werden können. Wer als Unternehmen im Rahmen seiner Online-Marketing-Aktivitäten den Facebook Pixel weiterhin für zielgerichtete Werbung nutzen möchte, muss umfangreiche Vorkehrungen treffen, um dabei insbesondere im Hinblick auf die DSGVO weiterhin rechtssicher zu agieren. Einen guten Einblick in die Komplexität der Materie liefert dieser Blog-Beitrag.
Das EuGH Urteil zu Facebook Fanpages
Und es geht weiter. Denn soeben wird berichtet, dass der EuGH in einem wegweisenden Urteil entschieden hat, dass die Betreiber von Facebook Fanpages für Werbezwecke gemeinsam mit Facebook verantwortlich für die Art und Weise der dort stattfindenden Erfassung von Daten sowie deren Weiterverarbeitung sind. Das bedeutet auch, dass Betreiber von Facebook Fanpages für etwaige Datenschutzverstöße in Mithaftung genommen werden können. Das Unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD) war gegen die Wirtschaftsakademie Schleswig-Holstein, die auf ihrer Fanpage nach Ansicht der Datenschützer nicht ausreichend über die Datenerfassung informiert hatte, vorgegangen. Die Akademie klagte dann mit Rückendeckung der Industrie- und Handelskammer gegen die Intervention des ULD, der Streitfall wurde von Kiel aus durch alle Instanzen weitergeführt – und nun am Europäischen Gerichtshof entschieden. Dass in diesem Fall nun auf europäischer Ebene der Datenschutzbehörde höchstrichterlich und in vollem Umfang Recht gegeben wurde ist ein sehr deutliches Warnsignal für alle Betreiber von Facebook Fanpages. Zudem könnte die EuGH Entscheidung Signalwirkung für andere laufende und künftige Streitfälle haben, so dass in den kommenden Wochen und Monaten im Hinblick auf Online-Marketing auf Facebook noch manche Änderung für Werbetreibende ins Haus stehen dürfte.
Fazit
Den Sturm der Entrüstung, dem Facebook sich nach Bekanntwerden des Datenskandals um Cambridge Analytica ausgesetzt sah, hat die Social Media Plattform unbeschadet überstanden – von ein paar Kratzern am Image und längst wieder ausgebügelten Kursverlusten an der Börse einmal abgesehen. Dass die vor allem im Zusammenhang mit der DSGVO stehenden datenschutzrechtlichen Änderungen für Nutzer einen echten Zugewinn bedeuten und auf der anderen Seite Werbetreibenden Unternehmen das datengetriebene Targeting künftig merklich erschweren, darf stark bezweifelt werden. Zu zentral ist das Sammeln und Weiterverarbeiten von Daten für werbliche Zwecke für Facebooks Geschäftsmodell – und zu träge sind die Nutzer für Anpassungen in ihren Datenschutzeinstellungen. Aber das Urteil des EuGH zur Mitverantwortung von Unternehmen für die Datenerfassung auf ihren Fanpages durch Facebook wird gerade im Licht der EU-Datenschutzgrundverordnung dazu führen, dass viele Unternehmen genau prüfen werden, ob sie ihre Fanpages in Zukunft weiter betreiben oder lieber abschalten.